Gibt es auch kleine Strassen in Minsk?

Scheinbar nein, denn auf den ersten Blick ist in Minsk alles gigantisch – außergewöhnlich gigantisch, großflächig und man könnte fast meinen, dass auch an den letzten 50 Meter nicht gespart werden musste. Es hat also Platz, viel Platz.
Die Straßen sind so groß, dass hier überall eine Boing problemlos starten und landen könnte. Die Stadt wird quasi von 6 bis 10 spurigen Straßen durchzogen.
Minsk ist definitiv modern und wer denkt, es kommen die 60 Jahre alten Busse und Straßenbahnen aus der Sowjet-Zeit um die Ecke gekrochen, wird enttäuscht sein.
Von der Sowjet-Union ist in Minsk nicht mehr viel zu sehen. Vereinzelt sieht man noch Hammer und Sichel und vor dem Innenministerium steht noch ein Lenin-Denkmal.
Die sozialistische Romantik nimmt man in der Innenstadt, dort wo sich die stalinistischen Prachtbauten aneinander reihen, am besten und intensivsten wahr.
Ja, Minsk ist eine westliche Metropole und selbst in den Randbezirken gibt es nichts Runtergekommenes oder Verwahrlostes.

Minsk ist sauber, sogar unvorstellbar sauber. Dabei vermittelt die Stadt keineswegs einen sterilen Eindruck.
Bemerkenswert – für die Raucher gibt es Raucherecken und man mag es fast nicht glauben, doch die Minsker halten sich daran.
Das gleiche gilt für rote Ampeln. Hier kommt niemand auf die Idee bei rot die Straße zu überqueren.

Vermutlich hängen hier die Graffiti der westlichen Metropolen im modernen Museum der Kunst, denn diese sieht man hier nicht. Hin und wieder sieht man hier ein Wandbild an den unzähligen Fassaden, welche sich in den Himmel erstrecken.

Ja, Minsk scheint nur aus Hochhäusern zu bestehen. Zum einen gibt es die Hochhäuser der Chruschtschow-Zeit, welche sich bis nach Wladiwostok am Pazifik ähneln und hier in Minsk zumindest mit etwas Farbe aufgepeppt wurden.
Zum anderen gibt es die neuen und modernen Hochhäuser mit Türmchen und anderem Zierrat, welche an aufeinander gestapelte Legosteine erinnern und schon fast monumental erscheinen – sozusagen Blade Runner bei Tag und gutem Wetter.
In der Innenstadt fallen einem die stalinistischen Monumentalbauten auf, die einen schweren und massiven Eindruck hinterlassen und oft als Stalins Zuckerbäcker-Stil belächelt werden.
… und Granit musste schon sein!

Aber machen wir uns nichts vor, Minsk wurde im 2. Weltkrieg fast komplett zerstört.
Und ja – Stalin hat die Weißrussen für den Widerstand im 2. Weltkrieg belohnt. Im Arbeiter- und Bauernstaat kam speziell in Weißrussland noch der Partisan als politisches Aushängeschild hinzu.

Nach dem Krieg ist Minsk zu einer 2 Millionen Einwohner zählenden Metropole gewachsen, welche mit ihrer Wucht beeindruckt. „Klein“ scheint es hier nicht zu geben.
Gerade in der Dunkelheit erstrahlt diese Stadt mit ihrer schönen Beleuchtung, die den Besucher wie auch die Einwohner beeindrucken möchte.
Um Mitternacht ist mit der Beleuchtung jedoch Schluss und die Fassaden verlieren schlagartig die bunten Farben.

Die Stadt wird von westlichen Touristen kaum besucht, denn es ist nicht ganz einfach nach Weißrussland zu reisen. Im Sommer 2024 ist der Visumzwang für 35 Länder weggefallen.
Trotzdem kann man aus dem Westen kommend nur über 2 Grenzübergänge einreisen. Das ist zum einen Brest an der polnischen Grenze und zum anderen Vilnius-Minsk in Litauen.

Russische Touristen reisen eher traditionell nach Minsk. In Weißrussland sind Spiel-Casinos erlaubt, was in Russland nicht der Fall ist. Um die Innenstadt herum sieht man einige Spielcasinos, welche die Kassen von Weißrussland füllen.

Als in Spanien lebender Deutscher vermisst man auf den ersten Blick die Bars.
Aber das täuscht, denn in den Shopping Malls findet man eine Bar neben der anderen und dazwischen liegen alle möglichen Restaurants, die durchaus einen internationalen Touch haben.
Dabei hat Minsk nicht nur eine Shopping Mall vorzuweisen. Alle Nase lang sieht man auffällig beleuchtete Einkaufstempel mit ausgelassenen und entspannten Konsumenten, die alles nur Erdenkliche in ihren Einkaufstüten herum tragen.
Entgegen des westlichen Narratives empfinde ich den Lebensstandard in Minsk als sehr hoch. Die Menschen sind gut angezogen und Armut oder herunter gekommene Randbezirke habe ich persönlich nicht gesehen.

Verpasstes

Minsk soll für seine 100 Brunnen oder Wasserspiele bekannt sein. Leider war der Betrieb Anfang Oktober schon eingestellt.

Ein kleines Fazit:

„Schon als Kind hatte für mich Minsk die selbe Magie wie Odessa oder Irkutsk“