Reise nach Minsk
Minsk, Odessa und Irkutsk am großen heiligen Meer, dem Baikalsee, haben mich schon seit meiner Kindheit fasziniert. Ich spreche auch gerne mit den Menschen aus dem Osten darüber.
Es macht tatsächlich einen Unterschied mit wem man über diese bedeutungsvollen Orte spricht. Mag sein, dass die Menschen aus dem Osten aufgrund der räumlichen Nähe einen größeren Bezug zu diesen Orten haben.
Vielleicht hat aber auch das Wort „Magie“ im Osten eine andere Bedeutung, eine bodenständigere – fast mit einer Mystik zu vergleichende.
Da beginnen die Augen zu leuchten. Niemand spricht liebevoller über den Baikal als Hanna aus Minsk. Ja – der Baikal ist eine Superlative, ehrwürdig und unendlich alt.
Nun war ich an allen 3 Orten – Minsk, Odessa und Irkutsk mit dem Baikal.
Wobei meine Reise zum Baikalsee schon 30 Jahre zurückliegt. Auf dieser Reise war ich eher damit beschäftigt mein Leben zu schützen um nicht unter die Räder, der damals vorherrschenden Anarchie zu kommen.
Ich erinnere mich noch genau daran als ich auf dem Bahnhofsvorplatz in Jekaterinburg versehentlich in eine Schießerei hineinspazierte und die Kugeln nur so um mich flogen. Die einen trugen Jogging-Anzüge und die anderen trugen aber auch Jogging-Anzüge, die damalige Arbeitstracht der russischen Mafia. Ja, damals wurde der Kuchen verteilt und der Kuchen wurde einem auch nicht angeboten – man hat ihn sich einfach genommen.
Zu dieser Zeit wurden Reisende in der transsibirischen Eisenbahn noch wegen 5 Mark ermordet. Es konnte immer sein, dass man das Abteil mit Seeleuten aus Wladivostok teilte, welche ihre Heuer schon im Zug versoffen hatten und kurz vorm Durchdrehen waren.
Nichts aber auch rein gar nichts sah damals in Russland nach Zukunft aus. Jeder wollte den nächsten Tag einfach nur überleben. So war es auch kein Wunder, dass der Klomann vor einiger Zeit noch Hochschulprofessor war – die damalige traurige Realität.
Dass es auf meiner halbjährigen Reise nach Russland Herbst/Winter war, kam dann noch dazu. Bei 40 Grad minus den letzten Bus am Baikal zu verpassen ist ungemütlich und die nächste deutsche Botschaft war grundsätzlich immer 5 Tage Zugfahrt entfernt.
Das Internet gab es auch noch nicht und eine Telefonzelle habe ich am Baikal auch nicht gesehen.
Kurzum – ich habe die 6 Monate in Russland unbeschadet überstanden – Gott schien es gut mit mir zu meinen.
Vor 3 Jahren war ich dann in Odessa, der Perle am schwarzen Meer.
Zarin Katharina die Zweite wollte die schönste Hafenstadt der Welt bauen, was ihr auch gelungen ist – zumindest von den Hafenstädte, welche ich kenne.
Hafenstädte haben ihre eigene Ausstrahlung und Anziehungskraft. Ein Kommen und Gehen bemerkt man auf jedem Meter und man kann die Geschichte überall riechen.
Auch Abschied nehmen hat an solchen Orten eine feste Konstante – das weitet die Blicke.
Fazit – Odessa ist eine altehrwürdige Hafenstadt mit einem stellenweise runtergekommenen Charme, der diese Stadt alle 50 Meter anders erscheinen lässt.
… Odessa passte mit meiner Vorstellung genau überein.
Minsk die Sonnenstadt – die bunt beleuchtete Metropole.
Was die Deutschen vor 80 Jahren in Weißrussland angerichtet haben ist unvorstellbar.
Ein Drittel der weißrussischen Bevölkerung wurde ermordet, 11 000 Dörfer wurden zerstört und Minsk wurde dem Erdboden gleich gemacht.
Bei aller Distanz habe ich immer einen schalen Geschmack im Mund – ich empfinde Scham.
Nun war ich 9 Tage in Minsk und nahm diese Stadt von Anfang an als unzerstörbares Bollwerk wahr. Wuchtig, massiv, schwer und liebenswert, fast verspielt trotzig.
Durchzogen von großzügigen Parks, Grünanlagen und endlosen Seen.
Ja – Minsk die Heldenstadt ist einladend, bietet Abwechslung, Lebensqualität und hat einen hohen Freizeitwert.
Sogar dahingehend, dass ich mir nur Minsk als Wohnort vorstellen könnte, wenn es mich wieder in eine Metropole ziehen sollte – für mich eine definitive „Wow“-Stadt!
Mag sein das Weißrussland in den westlichen Medien mehr als negativ dargestellt wird. Da wird von Diktatur und Unterdrückung schwadroniert und viele westliche NGOs sind Tag und Nacht damit beschäftigt dieses System ins Wanken zu bringen und Unruhe zu stiften.
Aber ich hatte nicht den Eindruck, dass die Bewohner dort so unglücklich sind und einen unterdrückten Eindruck machen.
Unzufriedene gibt es überall und 10% sind nirgends eine Mehrheit, nichtmal konstruiert.
Der Lebensstandard in Minsk ist hoch, allemal vergleichbar mit Madrid. Die Bevölkerung scheint aus einer stabilen Mittelschicht zu bestehen. Vor allem sind sie stolz auf Minsk und das zurecht.
Selten habe ich in meinem Instagram so eine positive und bewegende Resonanz zu einer Stadt bekommen und das von Bewohnern aus Minsk. „Спасибо“
Minsk – ich werde wiederkommen! Du bewegst dich nach Vorne und pflegst nicht alte Steine und Ruinen wie Rom.